Die Leinen sind gekappt – Schlepper haben die alte Dame Europa in die offene See hinausgezogen – der Kahn ist noch stabil aber schon mühsam zusammengehalten.
Mediale Multplikatoren[1], für die selbst die Bezeichnung »alternativlos» alternativlos ist, schreiben eine immer gleiche Geschichte: Uns geht es gut – wer nicht für uns ist, ist gegen uns – der nächste Rubel, der rollt, ist immer der Nächste. Leben in einer Tautologie, im Rennen mit sich selbst.
Das Schiff wird nicht gegen die Wand gefahren, es fährt solange, bis es auseinanderfällt.
Flatter schreibt zum gesellschaftlichen Vakuum in „Wo die Geschichte fehlt“[2]
»Es gibt also keine Geschichte, weder wahr noch gelogen, der die Menschen folgen könnten. Es gibt keine Wünsche, die jemand erfüllt. Es gibt keine Zukunft, auf die sich irgendwer freuen könnte, nicht einmal irgend eine Aussicht auf ein Ende der „Krisen“. Genau so sehen sie dann auch aus, die Verwalter dieser aschgrauen Welt.
[…]
Es herrscht das Vakuum. Es herrscht, weil es keine Geschichte gibt, die dem mit allerletzter Konsequenz wütenden Kapitalismus noch eine ansehnliche Fassade überstülpen könnte. Es herrscht, weil es noch niemanden gibt, der eine andere Geschichte erzählt, die man ihm glaubt, die ein anderes Ende verspricht, an dem man noch leben möchte. Immerhin: Noch ist es nicht die alte Platte, die immer wieder aufgelegt wird, wenn sonst nichts geht, die von Volkssturm und Feindvolk. Es ist daher noch ein wenig Zeit, eine neue zu schreiben. Vielleicht wird es die von den Menschen Südeuropas, die sich gewehrt haben.«
[1]Multiplikatoren: Substantiv, m; wird zurzeit stark unterschätzt.
[2]Flatter; → Wo die Geschichte fehlt
Bei Heiner Flaßbeck Tun wir Thomas Piketty Unrecht? ↗, 03.03.2015
Letzter Absatz:
„Wie anders sieht das Aktionsfeld der Wirtschaftspolitik aus – darüber schreiben wir hier fast täglich –, wenn man in der nachgewiesenen Zunahme der Ungleichheit keine Gesetzmäßigkeit des Kapitalismus sieht, sondern eine Gesetzmäßigkeit, wie die Mächtigen zu allen Zeiten (in allen möglichen Wirtschaftssystemen) auf Kosten der Machtlosen zu leben trachten. In der Marktwirtschaft gelingt den Mächtigen das seit Jahren besonders gut, weil sie es schaffen, dem System anzudichten, dass es so funktioniere, und dem Normalbürger plausibel zu machen, dass das System nur so betrieben werden könne (schließlich ist die Planwirtschaft untergegangen, die freien Märkte also das Maß aller Wirtschaftsdinge)“
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Wer versucht, die Ungleichheit zu beseitigen, ohne die Fehlfunktion des Arbeitsmarktes zu analysieren, kommt keinen Schritt weiter. Hätten die Lohnsenkungen (relativ und absolut) in den vergangenen 40 Jahren so gewirkt, wie das die neoklassische Theorie vermutet, wäre es auch nicht zu permanent zunehmender Ungleichheit gekommen. Sinkende Arbeitslosigkeit und die Rückkehr zur Vollbeschäftigung hätten in diesem Fall die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt wieder zugunsten der Arbeitnehmerseite verschoben und wenigstens bei der Primäreinkommensverteilung (also bei der Verteilung über Lohnverhandlungen) eine Korrektur bewirkt. Dass es nicht dazu gekommen ist, sollte für jeden vernünftigen Menschen Anlass sein, das gesamte Konzept des neoklassischen Arbeitsmarktes in Frage zu stellen. Das aber passiert nicht, sondern man betrachtet die Ungleichheit unabhängig vom Arbeitsmarkt und läuft immer wieder in die gleiche Falle.
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In der Auseinandersetzung zwischen Konservativen und Linken, aber auch zwischen “konservativen” Sozialdemokraten und den „richtig Linken” geht es im Zentrum immer um die Frage, ob erst erwirtschaftet und dann umverteilt wird, oder ob man sozusagen von vorneherein eine Verteilung festlegen kann und muss, ohne dass bereits etwas erwirtschaftet worden ist, weil die festgelegte Verteilung Voraussetzung für eine dauerhaft und für alle erfolgreiche Erwirtschaftung ist.
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… (S)tellen wir uns einmal vor, die Welt der Marktwirtschaft funktionierte so, wie wir das sehen, dass man nämlich von vorneherein dafür sorgen muss, dass die Arbeitnehmer systematisch und gleichberechtigt am Produktivitätsfortschritt beteiligt werden, weil sonst die Nachfrage fehlt, die das System braucht, um den Beschäftigungsstand zu erhalten.
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Das Soziale an der Marktwirtschaft ist dann nicht der Reparaturbetrieb des Kapitalismus, sondern die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung der Marktwirtschaft.
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Um es sarkastisch auszudrücken: Die einen plädieren für mehr Sozialarbeiter, die anderen für mehr Polizei.
»Was nirgendwo verstanden wird: Europa ist seit fast zwei Jahren in einer Rezession und es gibt angesichts der wirtschaftlichen und politischen Konstellation in der Währungsunion kein wirtschaftspolitisches Instrument, mit dem sich Europa aus der Krise schaufeln könnte. Die Geldpolitik ist ausgereizt, die Fiskalpolitik ist ideologisch blockiert und Lohnpolitik gibt es nicht. Woher soll ein Aufschwung kommen, wie sollen neue Arbeitsplätze entstehen? Das ist die alles entscheidende Frage. In ihrer Not glauben die meisten auf allen Seiten an die Wirkung von Placebos wie den „strukturellen“ Reformen, die aber alles nur schlimmer machen. Kann jedoch die Demokratie das nicht mehr leisten, kann sie nicht mehr für positive Perspektiven hinsichtlich Einkommen und Arbeitsplätzen der Menschen sorgen, ist sie am Ende.« (Heiner Flassbeck, Kein Wirtschafts-Gott in Frankreich, ni à gauche ni à droite ↗, 28.05.2013)
»Aber warum klagen diese Vertreter der Linken nicht mindestens genauso sehr darüber, dass diese Politik sachlich falsch ist. Aus lauter Freude darüber, dass mit dieser Agendapolitik offensichtlich wird, dass das kapitalistische „System“ gescheitert sei, vergessen sie zu zeigen, dass der herrschenden Linie der Politik die Kompetenz fehlt.« (Albrecht Müller, Rechts-linke Tristesse in Wirtschaftstheorie und -politik ↗, 28.05.2013)
TV-Doku: Waffen sind mein Leben ↗ (ARD. Die Story im Ersten. 23.04.2012)
Der Bundestag macht einen auf scheinselbstständig und ist sich keiner Schuld bewußt. Sie haben die „Freiberufler“ mit einem billigem Formulartrick über den Tisch gezogen. Jene schweigen aus Angst vor einem Auftragsverlust und müssen auf die Deutsche Rentenversicherung und das Finanzamt hoffen. (sueddeutsche.de ↗, Thomas Öchsner, 12.03.2012)